„Sind Gläubige die Dummen?“ (2) – Miteinander verbunden leben
Liebe Leserinnen und Leser dieses Wochenbriefes!
Ist es nicht dumm, zusammen mit anderen Christen in einer Gemeinde unterwegs zu sein? Steht der Aufwand im Verhältnis zum Nutzen? Ist es nicht klüger, sich dem Mega-Trend des unabhängigen und unverbindlichen Individualismus anzuschließen? Reicht es nicht, im Umfeld einer Gemeinde lose Kontakte zu halten und – im Notfall wie schwerer Krankheit oder bei einem Todesfall – die Hilfe der anderen in der Gemeinde in Anspruch zu nehmen? Oder ist es nicht sogar klüger, schlicht und ergreifend einfach ohne Gemeinde zu leben? Sind Christen, die verbindlich Gemeinschaft in der Gemeinde leben, nicht die Dummen? – Neben dem Grundbedürfnis des Menschen nach Sinn, das wir letzte Woche bedacht haben, haben alle Menschen das Bedürfnis nach Verbundenheit. Wir sind als Geschöpf Mensch ein soziales Wesen, geschaffen zum Miteinander. Dabei ist allerdings eine Unterscheidung wichtig zu verstehen: Als Menschen haben wir eine äußere Gestalt (Körper), aber auch einen „inwendigen Menschen“ (Geist/Seele, Person-Kern), wie das im Neuen Testament bezeichnet wird. „Koinonia“ ist das griechische Wort für „Gemeinschaft“ und bezeichnet das Miteinander von „Teil nehmen und Teil geben“. Das Verständnis für die Gemeinschaft der Christen als „Glieder“ an dem „Leib Christi“ ist dabei grundlegend: Ihr alle seid zusammen der Leib von Christus, und als Einzelne seid ihr Teile an diesem Leib. (1. Korinther 12, 27 GNB) Diese Gemeinschaft ist allerdings nicht die Gemeinschaft der nur äußerlich versammelten Christen. Sondern es ist die Gemeinschaft der „inwendigen Menschen“: Und das ist die Botschaft, die wir von ihm gehört haben und euch verkündigen: Gott ist Licht, und in ihm ist keine Finsternis. Wenn wir sagen, dass wir Gemeinschaft mit ihm haben, und wandeln doch in der Finsternis, so lügen wir und tun nicht die Wahrheit. Wenn wir aber im Licht wandeln, wie er im Licht ist, so haben wir Gemeinschaft untereinander, und das Blut Jesu, seines Sohnes, macht uns rein von aller Sünde. (1. Johannes 1, 5-7)
Bloße äußere Teilnahme an christlicher Gemeinschaft z.B. in einem Gottesdienst oder einer Kleingruppe kann das menschliche Bedürfnis nach Verbundenheit NICHT stillen. Obwohl wir mit anderen zusammen sind, bleiben wir dabei innerlich doch unverbunden. Auf eine solche Art äußerlicher Gemeinschaft in einer Gemeinde kann man tatsächlich eigentlich verzichten, denn sie hat keine andere Qualität als jede Form von Miteinander in einem Verein oder auf der Arbeitsstelle oder in der Nachbarschaft. Viel zu viele Christen leben Gemeinschaft mit anderen Christen recht oberflächlich und wundern sich, warum ihnen das „so wenig bringt“ und gefühlt eigentlich irgendwie überflüssig ist, auch wenn oberflächliches Miteinander bis zu einem gewissen Maß auch nett sein kann. So kommt es, dass immer mehr Christen „Teilzeit“- Gemeindeglieder sind, die nur unregelmäßig oder selten die Gemeinschaft suchen, weil sie „so wenig bringt“. Wenn man etwas eigentlich Richtiges falsch umsetzt, bringt es tatsächlich wenig oder nichts. Etwas ganz anderes ist es, wenn Christen zusammenkommen als Gemeinschaft der „inwendigen Menschen“. Sie geben sich innerlich zu erkennen mit einem überschaubaren Kreis von Mitchristen. Der Jüngerkreis von Jesus, der zwölf Personen umfasste und Jesus, ist dabei vielleicht eine Orientierung. Wer mit einer überschaubaren Zahl von Mitchristen authentisch und echt lebt und teilt, wie es wirklich aussieht und was wirklich ansteht, der kann erleben, wie tief das Bedürfnis nach Verbundenheit gestillt werden kann. Dabei ist „Teilnehmen und Teilgeben“ nicht eine Einbahnstraße, wo jemand selbstbezogen nur daraus auf ist, das eigene Bedürfnis gestillt zu bekommen. Sondern es ist ein Miteinander auf einer tieferen Ebene. Ich höre zu und ich erzähle. Andere beten für mich und ich bete für andere. Ich helfe anderen und sie helfen mir. Dann gewinnt auch das größere Miteinander in der Gemeinde mit Zig oder Hunderten von anderen Christen eine andere Qualität, weil der einzelne mit einer überschaubaren Zahl von anderen tiefer verbunden ist. Und wir rechnen mit Jesus in unserer Mitte. – Durch den gemeinsamen Glauben hat diese Art von Gemeinschaft einen Mehrwert, den es in keiner anderen Art von menschlichem Miteinander gibt: Der Heilige Geist, der inwendig in uns lebt, verbindet uns miteinander und mit dem gegenwärtigen Herrn Jesus Christus. Das ist viel mehr als eine „Wir verstehen uns gut“-Gemeinschaft, „weil wir ähnliche Interessen haben“. Es ist eine geistliche Gemeinschaft, die uns im Inneren anrührt und uns gleichermaßen die innere Gemeinschaft mit Jesus und mit den anderen erfahren lässt. Wer diese Art von Gemeinschaft sucht und lebt, ist nicht der Dumme und wird von Herzen gerne verbindlich, weil es jedem einzelnen so viel bringt, dieses besondere Miteinander zu erleben, das unserem zutiefst menschlichen Bedürfnis nach Verbundenheit entspricht. Wenn wir diese Art von Gemeinschaft in der Gemeinde suchen und leben, dann sind wir nicht die Dummen, sondern klug, weil wir wissen, welches Miteinander uns und anderen wirklich etwas bringt. Euer
Steffen Kahl, Pastor der Evangelisch-Freikirchlichen Kreuzgemeinde Bremen, 04. Februar 2024 (KW 06)