„Gehen oder bleiben?“
Von da an wandten sich viele seiner Jünger ab und gingen hinfort nicht mehr mit ihm. Da sprach Jesus zu den Zwölfen: Wollt ihr auch weggehen? Da antwortete ihm Simon Petrus: Herr, wohin sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens; und wir haben geglaubt und erkannt: Du bist der Heilige Gottes.
Johannes 6, 66-69 (LB)
Liebe Leserinnen und Leser dieses Wochenbriefes!
Nicht selten haben wir die Vorstellung, dass Jesus so vollmächtig und liebevoll gepredigt und geheilt hat, dass die Massen ihm unbeirrt folgten. Es gab aber durchaus auch ganz andere Reaktionen auf seine Botschaft. Die Schriftgelehrten und Pharisäer zum Beispiel hatten von Anfang an massiven Widerspruch gegen Jesus und seine Verkündigung. Hier in Johannes 6 erleben wir mit, wie sich viele seiner bisherigen Jünger von Jesus abwandten.
Von da an wandten sich viele seiner Jünger ab und gingen hinfort nicht mehr mit ihm.“
Was war der Grund dafür? Sie hatten den Anspruch erkannt, mit dem Jesus als der Sohn Gottes auftrat: „Da murrten die Juden über ihn, weil er sagte: Ich bin das Brot, das vom Himmel gekommen ist, und sprachen: Ist dieser nicht Jesus, Josefs Sohn, dessen Vater und Mutter wir kennen? Wie kann er jetzt sagen: Ich bin vom Himmel gekommen?“ Johannes 6, 41f. (LB) Einem vollmächtigen Wanderprediger nachlaufen und spektakuläre Worte und Taten miterleben, das lässt sich gut in das eigene Lebenskonzept integrieren. Neue Gedanken aufnehmen und diskutieren auch. Aber Jesus als himmlische, göttliche Autorität anerkennen und ihn deshalb mit dem ganzen Leben folgen? Das wollten sie dann doch nicht. Auch heute gibt es vielfältige Versuche, Jesus zu „integrieren“. Man sortiert ihn ein als einen Religionsstifter neben anderen. Man wählt diejenigen Inhalte seiner Botschaft aus, die einem zusagen; man folgt quasi einem zurecht-gestutzten „Teil-Jesus“. Man erkennt Jesus als bedeutende Figur der Weltgeschichte an, aber nicht als Gottes Sohn. Das kann sogar noch irgendwie christlich aussehen, ist aber nur ein scheinbares Bleiben bei Jesus. Man sortiert Jesus in das eigene Lebenskonzept ein, ohne ihn als Gottes Sohn Herr des eigenen Lebens werden zu lassen. Aber genau das ist der Anspruch und die Einladung, die Jesus allen ausspricht.
„Da sprach Jesus zu den Zwölfen: Wollt ihr auch weggehen?“
In einer Situation, wo sich die Mehrheit zum Gehen entscheidet, fordert die Frage von Jesus seine Jünger damals heraus, sie müssen für sich klären und entscheiden, wer Jesus für sie ist. – In einer Zeit von hunderttausenden Kirchenaustritten in Deutschland jedes Jahr einerseits und dem religiösen Supermarkt unserer Gesellschaft andererseits, in dem alles als scheinbar gleich-gültig angeboten wird je nach Vorliebe, darf sich auch jeder Christ diese Frage von Jesus gefallen lassen: „Willst Du auch weggehen?“
„Herr, wohin sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens; und wir haben geglaubt und erkannt: Du bist der Heilige Gottes.“
Die Antwort des Petrus im Namen des Jünger-Kreises – Petrus war ihr Sprecher – ist erstaunlich klar. Müssten sie nicht auch wenigstens zweifeln an Jesus, seiner Botschaft und seiner Autorität? Sie bleiben eindeutig bei Jesus, weil nicht nur sein Anspruch, sondern auch sein Zuspruch von außergewöhnlicher Autorität ist: Ewiges Leben kann nur der Messias, der Sohn Gottes zusagen. Sie haben Jesus monatelang aus nächster Nähe miterlebt, sie wissen, bei ihm sind Zuspruch und Anspruch stimmig, Jesus ist tatsächlich „ganz anders“, heilig, Gottes Sohn. Sie haben erkannt: Jesus ist unvergleichlich, einmalig in der Weltgeschichte und tatsächlich „der Weg, die Wahrheit und das Leben.“ (Johannes 14, 6)
Gehen oder Bleiben? Die Jünger bleiben bei Jesus – nicht, weil sie es müssten oder sollten, sondern weil sie es wollen. Sie entscheiden selbstbestimmt, dass sie bei Jesus bleiben und ihm ihr Leben lang nachfolgen wollen. Diese Klärung war angesichts der vielen, die Jesus verließen, nötig. Auch wir dürfen uns in unserer Zeit fragen: „Gehen oder Bleiben?“ und unsere eigene Entscheidung erneuern oder vergewissern. Das fällt leicht, wenn wir verstanden haben, wer Jesus wirklich ist. Denn es lohnt sich, ihm im existenziellen Vertrauen nachzufolgen, mit ihm sinnerfüllt zu leben und hoffnungsgewiss zu sterben.
Euer
Steffen Kahl, Pastor der Evangelisch-Freikirchlichen Kreuzgemeinde Bremen, 3. September 2023 (KW 36)